Seelsorge im Malteserstift und in der Marianne-Strauß-Klinik, Teil. 2

Beitrag Dr. Burgkard Döpfner

A L L E S

ALLES WAS ICH HABE, DAS HABE ICH NICHT MEHR – UND WAS ICH EINMAL KONNTE, VERMISSE ICH SO SEHR. ICH HABE ZWAR ZWEI BEINE, DOCH BLEIBE ICH OFT STEHN – UND KANN DANN KEINEN SCHRITT ALLEINE WEITERGEHN.

HAB ARME UND AUCH HÄNDE, DIE MACHEN WAS SIE WOLLEN NUR SELTEN TUN SIE DAS, WAS SIE GERADE SOLLEN. ICH HABE EINEN KÖRPER, DER MIR NICHT MEHR GEHÖRT. DIE INNERE VERBINDUNG ZU IHM, DIE IST GESTÖRT.

IM KOPF HABE ICH GEDANKEN, DIE ICH GERNE SAGEN WILL. KANN MAN MICH NICHT VERSTEHEN, DANN BLEIB ICH LIEBER STILL. IM HERZEN HAB ICH SORGEN, DIE ICH NICHT JEDEM SAG – SONST MÜSSTE ICH WOHL JAMMERN, DEN LIEBEN LANGEN TAG.

UND TROTZDEM HABE ICH HUMOR, DER IST MIR NOCH GEBLIEBEN. DRUM BIN ICH MIT MEINEM LEBEN TROTZ ALLEDEM ZUFRIEDEN. 

Diesen Text hat vor einigen Jahren eine Gruppe von Multiple-Sklerose-Patienten in der Marianne-Strauß-Klinik in Kempfenhausen formuliert. Im Grunde ist es ein erschütternder und zugleich hoffnungsfroher Text. Hier beschreiben MS-Patienten, wie sie diese „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ gefühlsmäßig erleben, was wir als so genannte „Gesunde“ nicht nachfühlen können. Ich bin immer wieder neu erstaunt, welch fröhlichen Menschen ich hier in dieser Klinik begegne. Davon darf ich Ihnen etwas erzählen…

Marianne-Strauß-Klinik, Kapelle

Beginnen will ich gerne mit dem besonderen Besuch, den jedes Jahr die Patienten und ich, in der MS-Klink empfangen dürfen. Jedes Jahr kommen die Firmlinge des Pfarrverbands Aufkirchen mit ihren Gruppenleitern zu uns in die Klinik und sie plaudern ungefähr eine halbe Stunde im Pflegeheim „Haus der Freunde“  mit den MS-Patienten. Nach der Begegnung treffen wir uns zu einer Abschlussreflektion in der Kapelle (Anmerkung von Pfr. Wandachowicz: die Firmlinge sind diese Woche wieder zum Besuch in der MS-Klinik). Die Jugendlichen sagen oft erstaunt: „Wow, die sind aber gut drauf. Die sind ja ganz fröhlich“. Das hatten viele nicht erwartet. Ein Firmling sagte anerkennend: „Mich beeindruckt, die MS-Patienten machen das Beste aus ihrem Leben.“  Oft denke ich, wenn jemand in seinem Herzen eine Unzufriedenheit mit seinem Leben verspürt und mit seinem Leben hadert, dem würde ich empfehlen: „Gehen sie ein paar Tage zu unseren MS-Patienten, da werden Sie wieder von selbst zufriedener“. Ich selbst merke, diese Jahre, die ich hier als Seelsorger bei MS-Patienten verbringen darf, machen mich zufrieden und vor allem  dankbar. Für mich ist seitdem nichts mehr selbstverständlich, dass ich vor allem laufen kann, dass ich sprechen kann, dass ich denken und fühlen kann…. da wird mir erst so richtig bewusst, wie sehr wir eigentlich so reichlich beschenkt sind. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in einem freien Land  leben dürfen – es ist nicht selbstverständlich, dass wir über 70 Jahre keine Hungersnot und keinen Krieg erleben mussten, wie unsere Großeltern und zum Teil unsere Eltern.

Wir sind sehr dankbar, dass unsere Priester, trotz der vielfältigen Seelsorgeaufgaben im Pfarrverband, bei sterbenden Patienten in beiden Häusern das Sakrament der Krankensalbung spenden und jeden zweiten Samstag in unserer Klinikkapelle einen Gottesdienst um 18.00 Uhr mit unseren MS-Patienten feiern. Dieses Angebot wird von unseren Patienten gerne angenommen. Ich habe den Eindruck, die MS-Patienten tanken bei jedem Gottesdienst spirituell für die neue Woche auf und holen sich neue seelische Kraft für die Bewältigung ihres Krankheitsalltags.

Wir haben auch einen ehrenamtlichen Besuchsdienst. Es kommen jede Woche unsere Ehrenamtlichen, die mit unseren Patienten ein paar Stunden verbringen, z.B. dass sie ihnen vorlesen, mit ihnen diskutieren und Lebenserfahrungen austauschen, mit ihnen Gesellschaftsspiele spielen, im Park spazieren gehen, in der Cafeteria gemeinsam Kaffee trinken …. Mich beeindruckt immer wieder, wie bei der Reflektion unsere Ehrenamtlichen unisono sagen: „Das ist eine wunderschöne Aufgabe. Da bekomme ich mehr zurück als ich gebe“. Das ist eine beglückende Erfahrung.

Wer Interesse hat, uns zu unterstützen und unseren MS-Kranken begegnen möchte, ist jederzeit willkommen. Sie können sich an unsere Palliativärztin, Frau Dr. B. Basedow, wenden (08151/261-185) oder an mich, Pastoralreferent B. Döpfner (08151/261-986).