Eindrücke zur Öffnung der Heiligen Pforte

Eindrücke von einem ganz besonderen Tag – 8. Dezember 2015

Foto Hiltrud Schneider“Zwei Päpste vor der Heiligen Pforte” – was für beeindruckende Bilder, die da um die Welt gingen. Ich hatte den Eindruck, für einen kurzen Moment hielten die Menschen auf dem Petersplatz den Atem an, denn es brauchte schon ein paar Rüttler, bis sich das Tor öffnen ließ. Vielleicht ein Zeichen … An Tagen wie diesen ist man ja besonders empfindsam, da sind die Worte des Heiligen Vaters Balsam für die Seele. “Barmherzigkeit gilt vor Gericht!” und “Die Heilige Pforte zu durchschreiten, bedeutet Angst und Furcht hinter sich zu lassen und die Tiefe der göttlichen Barmherzigkeit zu entdecken. Gott sucht uns, er kommt uns entgegen mit weit ausgebreiteten Armen.”

Foto Hiltrud SchneiderDie Gegend um den Vatikan gleicht derzeit einem Hochsicherheitstrakt. Überall Carabinieri und schwer bewaffnete Soldaten. Wegen der strengen Kontrollen bilden sich schon in aller Herrgottsfrüh endlose Schlangen. Kein Drängeln, kein Meckern, wenn es bis zu einer Stunde dauert, bis man die dreimaligen Leibesvisitationen überwunden hat und endlich auf den Petersplatz vorgedrungen ist. Und da steht man dann vor der nächsten Schlange … Die Pilger haben großes Verständnis für die Situation und irgendwie ist man froh über jeden Polizisten, auf den man trifft. Der Papst macht es ihnen aber auch nicht leicht an diesem 8. Dezember, der ja in Italien ein Feiertag ist, was an sich für viele Römer schon ein Grund ist, auf den Petersplatz zu kommen. Viele junge Menschen, auch später vor den Beichtstühlen im Petersdom, lange Schlangen! Viele junge Familien, wenn man das sieht, braucht man vor der Zukunft der Kirche keine Angst zu haben.

Foto Hiltrud SchneiderNach den Eröffnungsfeierlichkeiten tritt Franziskus pünktlich um zwölf Uhr ans Fenster des Apostolischen Palasts und betet mit den Gläubigen den “Engel des Herrn”, nicht ohne ihnen die Muttergottes besonders ans Herz zu legen. “Unter ihrem Mantel ist Platz für alle, für jeden Einzelnen von uns. Hören wir niemals auf, sie anzurufen. Sie ist die Mutter der Barmherzigkeit.”

Am Nachmittag läßt er sich in einem Ford Focus durch die engen Gassen kutschieren, um an der Mariensäule an der spanischen Treppe Blumen niederzulegen und ein Gebet zu sprechen. Danach nimmt er sich sehr viel Zeit zum Händeschütteln und Scherzen mit Großen und Kleinen, was ihm sichtlich Freude bereitet, aber den Sicherheitskräften die Schweißperlen ins Gesicht treibt. Die Menschen danken es ihm mit lang anhaltendem Beifall und “Viva il Papa”-Rufen.

Foto Hiltrud SchneiderDann ging es weiter, offenbar zu seiner Lieblingskirche, Santa Maria Maggiore, die er wohl vor und nach jeder Reise ins Ausland besucht, um an der Muttergottesikone eine weiße Rose niederzulegen und zu beten, ein Besuch, den er beim Angelus schon angekündigt hatte, wofür er spontanen Applaus bekam. Am ersten Tag nach seiner Wahl zum Papst brachte er der Muttergottes dort einen Rosenstrauß. Unvergessen auch, wie er schon damals beim Verlassen der Kirche den Beichtvätern zurief: “Seid barmherzig!” Und heute hat er den Pilgern hier Mut gemacht, sich der Mutter der Barmherzigkeit anzuempfehlen. “Sie ist die Mutter der Jungen und der Alten, der Kranken und Gefangenen, ihr Herz ist voller Zärtlichkeit für all ihre Kinder.”

Foto Hiltrud SchneiderAm Abend gab es dann noch eine spektakuläre Lichtshow, bei der Bilder von Landschaften und Tierarten, die wegen des Klimawandels gefährdet sind, auf den Petersdom und die Kuppel projiziert wurden. Die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Natur ist immer auch ein Anliegen von Franziskus in seinen Ansprachen. Lesenswert dazu die Enzyklika Laudato si, kostenlos in allen Pfarrämtern erhältlich.

Noch ein Wort aus der Mittwochsaudienz: “Das Jahr der Barmherzigkeit soll uns persönlich verändern, in der Familie, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz und in den Institutionen. Barmherzig sein heißt: Nicht lange überlegen und taktieren, nutzt es mir, bringt es mich weiter, sondern handeln! Barmherzigkeit ist nicht naiv, nicht dumm, Barmherzigkeit kann die Welt verändern.”

Papst Franziskus hat die Heilige Pforte geöffnet, jetzt liegt es an uns, durchzugehen. Wo auch immer.

In diesem Sinne, herzliche Grüße aus Rom,
Hiltrud Schneider