Gedanken zum Artikel “Was ist Gott?”, SZ vom 5./6. Januar 2017


Vor Kurzem erschien im Bayern-Teil der Süddeutschen Zeitung der Artikel “Was ist Gott”? 25 Personen aus verschiedenen Bereichen wurden nach ihrer Sichtweise gefragt, und man hält ein (typisches?) Spektrum heutiger Antworten.

Anselm Grün (Benediktinerpater in Kloster Münsterschwarzach) darf natürlich nicht fehlen, er ist ganz christlicher Mystiker wenn er sagt: “Für mich ist Gott das absolute Geheimnis […]. Er ist persönlich und überpersönlich, er ist Grund allen Seins und ist doch auch ein Du”.

Gleich im nächsten Absatz hält Michael Bauer (Humanistischer Verband) dagegen:

“Gott ist eine soziale Tatsache, nicht mehr und nicht weniger”.

Gott nur ein Begriff für menschliches Handelns? Der Christ muss da widersprechen – Gott existiert unabhängig vom Menschen, und ist schon gar nicht von ihm geschaffen.
Kritisch zu sehen ist auch Bauers Aussage, dass “Glaubensangebote [religiöser Menschen] nicht auf Unbeteiligte übergreifen“ sollen: „[…] Wenn Gott auf diese Weise politisch wird, ist er eine Bedrohung für die Freiheit”. Heißt das: Sie dürfen an Gott glauben, aber unterstehen sie sich, jemand davon zu erzählen?!

In die ähnliche Richtung geht Tobias Afsali, Landesvorsitzender der Jusos: “Gott ist vor allem Privatsache. Wer andere Menschen vom ‘eigenen’ Gott überzeugen muss, hat Gott und seine Grundbotschaft nicht verstanden: Sei ein guter Mensch. Respektiere deine Mitmenschen. Kämpfe für eine besser Welt”. Fehlt nur noch “Ernähre dich gesund und sei nett zu Tieren”.
Heutzutage muss doch jede Religion Überzeugungsarbeit für ihr Gottesbild leisten: Wissenschaftlern glauben wir viel schneller (trotz vieler Irrtümer in der Vergangenheit) als einem überzeugtem Christen oder Muslim. Und es stimmt: Jede Religion muss Antworten liefern, die der Vernunft nicht widersprechen – das Christentum kann und tut das!

Viele der Befragten definieren den Begriff Gott über Erfahrungen: eine Hebamme bei der Geburt eines Kindes, ein Richter beim dankbaren Rückblick auf sein Berufsleben, Musiker beim spielen allein und im Orchester… eine Schauspielerin wünscht sich mehr Beschäftigung “mit der Essenz von Gott”.

Aber Gott ist doch nicht nur eine Ansammlung von moralisch als gut befundenen Ideen wie Nächstenliebe, Toleranz, Respekt, “Sinn und innerer Zusammenhang allen Lebens” (Harald Grill, Schriftsteller).

Ja, das sind Eigenschaften, mit denen z.B. wir Christen Gott beschreiben, und aus der wir als Menschen eine christliche Ethik abgeleitet haben (und die Humanisten und Atheisten gerne gottfrei als ihre eigene Leistung ausgeben).

Knackpunkt ist aber auch: “Gott ist menschennah: Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden und hat im Foltertod am Kreuz die tiefsten Tiefen des Menschseins erfahren. Gott ist ein Freund des Lebens […] und ist uns durch alles Dunkle hindurch in Liebe zugewandt”, so Heinrich Bedford-Strohm, evangelischer Landesbischof.

Oder wie es Stefan Oster, Bischof von Passau formuliert:

“Denken wir Liebe, Liebe schlechthin, absolute, unbedingte Liebe, die unser Denken maßlos übersteigt. Das ist Gott […]”, und die Person wird, und die “die absolute Schönheit, Wahrheit, Liebe [und] zugleich Vater ist, mein Vater”.

Gott will mit uns eine Beziehung, so wie wir eine Beziehung zum Ehepartner, zu unseren Kindern, zu Freunden haben. Er reicht uns die Hand, und möchte mit uns unser Leben zur Fülle verhelfen.

Und wie antworten die meisten Menschen in unserer Zeit darauf?

“Gott? Ein tragischer Hokuspokus. Nee, ich buckle und winsle vor keinem, auch nicht vor einem Weltenhöchsten, den man als Angstmaschine in die Welt gezerrt hat“

(Andreas Altmann, Buchautor aus Altötting).

“Gott ist ein universeller Erlaubnisschein, all die Verbrechen zu begehen […]. In ‘Gottes Namen’ erlauben wir uns heute, ‘Teufel’ zu sein” (Hans Söllner, Liedermacher). Oder Walter Landshuter, ehem. Betreiber des Passauer Scharfrichterhauses: “Gott ist eine menschgewordene Idee und wird in einer psychiatrischen Anstalt, für Menschen die sich für Gott halten, behandelt. Leiter dieser Anstalt ist Gott”. Arg polemisch, aber wir müssen uns klar sein, dass immer mehr Menschen unserer Gesellschaft nicht mehr wollen, das wir über Gott reden (Religion ist Privatsache), dass er sichtbar wird (kein Kruzifix im Klassenzimmer), dass er im Staatswesen einen Platz hat (im neuen Koalitionsvertrag von Berlin kommt das Wort „Gott“ nicht mehr vor).

Wir – Sie als Leser! – müssen unsere Antwort formulieren – daran kommt kein Christ vorbei: Wer ist Jesus Christus für mich ganz persönlich? Nur so kann ich eine persönliche Beziehung zu Gott finden, nur so wird Gott zu einem Du in Jesus Christus, nur so kann ich antworten, ohne schwammig und schwurbelig zu werden.

Als Christ glaube ich: Gott wurde in Jesus Christus Mensch – ganz konkret, wie du vor mir stehst. Er hat von der Reich Gottes gesprochen und Heil geschenkt – ganz konkret, den Menschen in seinem Umfeld.

Jesus ist am Kreuz gestorben – ganz konkret, wie andere Verurteilte im Jahr 30 n. Chr..

Und – jetzt kommt der „Glaubenssprung“ – er ist auferstanden und seinen Jüngern erschienen – für den gläubigen Christen ganz konkret, so wie du vor mir stehst, und zugleich “anders”.

Vielleicht sollten wir nicht erst warten, bis uns jemand nach der Hoffnung fragt – sondern einfach davon erzählen. Auch mal meinem Partner, meinen Kindern, meinen Eltern.